Wir haben alle ein Bild von uns im Kopf. Wie wir sein wollen, wie wir uns selbst sehen. Was unsere Werte, unsere Prinzipien und unsere Ideale sind. Wir kennen unsere No Goes und wissen, welchen Themen gegenüber wir Toleranz zeigen können.
Eigentlich scheint es also ziemlich klar zu sein, wer wir eigentlich sind. Was uns ausmacht und wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Die meisten von uns sind ziemlich gut darin, ihre Schwächen zu erkennen. Nicht gerne benennen wir sie, aber sie sind uns bekannt. Und wir kennen auch die kleinen Trigger, die unsere schwächsten Stellen treffen.
Unsere Stärken sind uns hingegen nicht allzu deutlich bewusst. Oder wir sind nur zu bescheiden, sie als unsere Stärken anzuerkennen, denn wir wollen ja nicht als arrogant und eingebildet da stehen.
Hätte mich jemand vor 10 Jahren gefragt, wo meine Stärken liegen, ich hätte ohne zu zögern meine Geduld, meine Pünktlichkeit und meine Kreativität genannt. Das waren die drei Punkte, die mir immer wieder bestätigt wurden, als meine größten Stärken. Heute sieht das wieder ganz anders aus. pünktlich bin ich immernoch – also meistens. Wie das halt mit kleinen Kindern so ist. Kreastiv, ja meistens. Wenn ich Ruhe und Zeit dafür finde. Dann lebe ich meine Kreativität aus. Die finde ich jedoch im Moment eher weniger.
Was ich scheinbar gänzlich verloren habe ist meine Geduld. Zumindest mit meinen eigenen Kindern. Da wo ich sie doch eigentlich am allermeisten haben sollte. Und ich habe lange nachgedacht, Ursachen gesucht, vieles hinterfragt. Ich kenne auch die Antworten. Und ich weiß auch, welche Wege ich gehen muss, um die Lösungen zu finden.
Was mir dabei immer wieder ganz sauer aufstößt, ist der Satz: “Du bist doch vom Fach, du müsstest da doch top drin sein”. Ja, ich bin vom Fach, ich weiß ziemlich viel über kindliche Entwicklung, über Verhaltenstheorien, über Erziehungsstile, ich habe ein Bild in meinem Kopf, wie ich als Erzieherin bin. Dieses Bild stimmt mit dem überein, was mir von außen in meiner Rolle als Erzieherin gespiegelt wurde und wird.
Ich habe genauso ein Bild in meinem Kopf, wie ich die Mutterrolle besetzen möchte. Wie ich sein will, ich kenne meine Ansichten und meine Überzeugungen. Ich weiß wie ich zu Themen wie “Bestrafungen” oder “Kommunikation auf Augenhöhe” stehe.
Meine Ansichten und Überzeugungen sind meine Ideale. Ich weiß, dass ich von Strafen überhaupt nichts halte. Ich weiß auch, dass Konsequenzen meist verklärte Strafen sind. Ich weiß auch, dass ich Kommunikation auf Augenhöhe essentiell für die Bindung zwischen dem Kind und der Bezugsperson sehe.
Ich weiß auch, wie ich meine Kinder im Frust und in Wut begleiten sollte.
Natürlich weiß ich das, denn ich bin ja vom Fach. Ich habe viel gelernt, und lerne immernoch viel. Jeden Tag, denn ich begleite meine Kinder jeden Tag durch diverse Gefühle. Positive und Negative. Und natürlich bin ich da, wenn sie mich brauchen, denn ich bin ja ihre Mutter.
Aber ich bin auch ein Mensch. Ich habe keine Nerven wie Drahtseile und manchmal geht es mir selbst einfach nicht gut. Weil ich zu lange nichts in Punkto Selbstfürsorge getan habe. Weil ich es immer wieder aufschiebe. Weil ich meine Prioritäten falsch setze. All das weiß ich. Und natürlich weiß ich auch was ich tun muss, um das zu ändern, denn in der Theorie bin ich super.
Aber Theorie und Praxis sind zwei Paar Schuhe. Denn in allererster Linie bin ich Mensch. Und manchmal geht es mir einfach nicht gut. Dann bin ich nicht in der Lage den zehnten Frustanfall zu begleiten. Dann habe ich vielleicht schon beim Aufstehen keine Kapazitäten Frust abzufangen, Wut zu begleiten oder Abweichungen vom Plan zu ertragen. Dann explodiere ich schneller als mir lieb ist und stehe mir eigentlich selbst im Weg.
Solche Tage häufen sich zur Zeit. Tage in denen ich nicht bereit bin, Frust und Wut auszuhalten, Vorwürfe zu ignorieren und Diskussionen zu führen, die meiner Meinung nach sowieso nirgendwohin führen.
Einfach weil ich ein Mensch bin. Und zur Zeit geht es mir einfach nicht gut.