Müde – einfach müde

Wir haben seit einem Jahr eine Pandemie. Wir haben seit einem Jahr keinen “normalen” Alltag. Normal, was ist schon normal. Inzwischen ist es normal, dass man beim einkaufen nochmal zum Auto zurück geht, weil man die Maske vergessen hat. Dass man sich nicht mit seinen Freunden trifft, außer einzeln. Dass die Kinder zu Hause sind, weil Schulen und Kitas nur in Notbetrieb laufen. Es ist normal, keinen Geburtstag zu feiern, weder von den Kindern noch den eigenen. Und jetzt mal ehrlich, welches neunjährige Kind möchte seinen Geburtstag nicht lieber mit seinen Freunden in der Indoorhölle verbringen, statt mit Oma am Kaffeetisch?

Ich habe heute gelesen “80% der Schüler brauchen Förderung”. NEIN! Brauchen sie nicht, sie brauchen normale Beschulung! Richtigen Präsenzunterricht. Nicht diesen halbgaren Kram mit Wechselunterrricht und Zoomcalls (die unsere Lehrerin aufgrund mangender Datenschutzproblematik nicht macht).
Mein Sohn hat die Hälfte seiner Klassenkameraden seit Monaten nicht gesehen.
Mein Kleiner sollte eigentlich letztes Frühjahr mit Kinderturnen anfangen. Das hatte sich dann auch erledigt. Tierparks von innen kennt er nicht bewusst. Familienurlaub ist schon so lange her, dass es quasi nicht mehr wahr ist.

Und wie paradox ist es bitte, dass man sich ins Flugzeug nach Mallorca setzen darf, aber mit dem eigenen Camper an die Nordsee darf man nicht? Genauso ist es völlig ok, dass die KiTa gruppen mit 20 bis 25 Kindern voll sind, aber die Schulklassen (in denen die Schüler auf ihren Plätzen sitzen und Masken tragen) halbiert werden und nur noch im Wechsel unterrichtet werden können?
Wo ist die Verhältnismäßigkeit beim Einkaufen im Supermarkt (mit wohlgemerkt mehr als 20/30 anderen Haushalten), was okay ist, aber mich mit meinem Mann in ein Café setzen darf ich mich nicht?

Es ist einfach so vieles nicht mehr nachvollziehbar. Viele Regelungen werden (wenn überhaupt) nur noch eingehalten, weil man keinen Bock auf Bußgelder hat. Die Welt lacht über Deutschland. Wir fahren unser Land an die Wand. Und es ist kein Ende in Sicht. Und ich verstehe langsam, wie müde die Menschen sind. Coronamüde.
Die Eltern haben keine Ressourcen mehr für noch länger Homeschooling. Keine Ressourcen für social distance. Sie vermissen ihren Alltag. Freunde. Familie. Gartenpartys, Familienfeiern. Hochzeiten mit allem was dazu gehört. Geburtstage feiern. Spontan einkaufen gehen. Ich musste vergangene Woche sogar einen Termin machen, weil ich für meine Kinder ein paar neue Kleidungsstücke brauchte. Spontan hinfahren und gucken gehen geht nicht.

Ich bin niemand, der große Menschenansammlungen braucht. Ich bin nie eine Discogängerin gewesen. Brauche keine Stadtfeste und Partys. Aber Spieleabende mit meiner handvoll liebsten Freunde. Kaffeetrinken mit meiner Oma, ohne vorher einen negativen Coronatest zu brauchen, um sie nicht zu gefährden. Meine Kinder brauchen ihre Freunde. Ihre Peergroup. Ich sehe mit besorgten Augen, dass mein Großer, der immer ein Draußenkind war, jetzt in seinem Zimmer sitzt und den ganzen Tag vor sich hin spielt. Weil seine Freunde eh nicht raus kommen. Denen geht es nämlich genauso. Es macht sich eine depressive Stimmung breit. Und das bei unseren Kindern schon!

Ich freue mich auf die Zeit nach Corona. Wenn die Menschen wieder zufriedener sind, die Kinder ihre Freunde zurück haben, spontane Wochenendausflüge wieder möglich sind, wir ins Kino gehen können, oder mit den Kindern ins Naturkundemuseum. Wenn all das wieder ohne große Organisation, sondern spontan möglich ist.

Ich weiß, dass die Beschränkungen notwendig sind. Die eingeschränkten Kontakte, die Hygienemaßnahmen, der Lockdown. Die Zahlen sind nicht gut, das sehe ich auch. Ich bin nicht blind. Und ich weiß auch, dass wir diese Pandemie nur gemeinsam überstehen können. Wenn jeder auf den Anderen Rücksicht nimmt, sich an die Regelungen hält, egal wie widersinnig wir sie finden. Solange jedoch viele im heimischen Partykeller auf die Regelungen pfeift, Gerichte Demos erlauben und sich danach ahnungslos stellen und wir mit den Impfungen so stümperhaft voran kommen, unsere Impfstoffe Imageschäden erleiden und Covidioten ihre Meinung im Netz raus schreien und Mitläufer um sich scharren, solange wird sich unsere Situation nicht verbessern.
Und doch bin ich müde. Einfach müde. Von diesem immer selben Trott, kaum Abwechslung und den immer wieder vor mich herbetenden Erklärungen, wieso es eben wichtig ist, sich an die Regelungen zu halten. Weil man manchmal eben einfach die Arschbacken zusammenkneifen muss, ob es einem nun gefällt oder nicht.

Wir haben eine Pandemie. Und wir werden dies nicht überstehen, wenn jeder sein Ding macht. Diesen Mist können wir nur gemeinsam geschaffen.

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